Unterwasserarchäologie zwischen Mittelalter und Neuzeit       Bernried am Starnberger See als Beispiel für eine interdisziplinäre Kooperation von Archäologen und Naturwissenschaftlern

 

Seit sechs Jahren werden im Uferbereich des Starnberger Sees vor dem Kloster Bernried Tauchprospektionen durchgeführt. In Uferabschnitten, die besonders von Erosion betroffen sind, wurde der Seegrund in den Sommermonaten fast wöchentlich kontrolliert. Was macht die unterwasserarchäologische Arbeit in Bernried für die Mitglieder der Bayerischen Gesellschaft für Archäologie (BGFU) so interessant? Vor allem Kultur- bzw. Abfallschichten  können  Unterwasser im Bereich des Klosters angetroffen werden. Eine besondere Fundkonzentration liegt aus dem 17. Jahrhundert vor, die als entsorgter Abraum vom Ende des Dreißigjährigen Krieges interpretiert wird. Im Rahmen des Bernried-Projekts findet eine sehr produktive Kooperation mit Prof. Dr. Bernd Päffgen vom Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München statt, der seit einigen Jahren die archäologische Leitung übernommen hat.

 

Neben Alltagskeramik fanden sich bei den Tauchprospektionen auch organische Reste aus Knochen, Holz und Leder, die von der Erosion freigelegt und von den Mitgliedern der BGFU vor dem Abrutschen in die Seetiefe gesichert wurden. Zahlreiche Kienspäne vermitteln den Alltag der frühen Neuzeit, in dem es noch keine Elektrizität gab. Mit den Befunden aus dem Litoral von Bernried lässt sich ein vielfältiges Bild über die Lebenswirklichkeiten der Kloster- und Fischergemeinde zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert rekonstruieren.  Zahlreiche pflanzliche Reste machen diese Kulturschicht im Uferbereich auch für Naturwissenschaftler spannend. Wie Michaela Spindler von der Arbeitsgruppe Biogeographie der Universität Augsburg zeigen konnte, wurden Holzarten wie Eiche, Kiefer oder Buchsbaum aufgrund ihrer unterschiedlichen Materialeigenschaften für jeweils spezielle Zwecke verwendet. In enger Kooperation mit Franz Herzig, dem Leiter des Dendrolabors des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (Thierhaupten), hat Michaela Spindler zahlreiche der organischen Makroeste analysiert, um mit Hilfe mikroskopischer Bestimmungstechniken, die verschiedenen Pflanzenarten zu unterscheiden. Die taucharchäologischen Prospektionen fanden ebenfalls eine produktive Bereicherung durch malakoökologische Analysen. Anton Scharpf, ebenfalls aus der Arbeitsgruppe Biogeographie der Universität Augsburg, hat die Schneckenarten im Seesediment untersucht. Die Mitglieder der BGFU haben dazu Bohrungen durchgeführt, damit der Biogeograph die Verteilung verschiedener Schneckengattungen nutzen kann, um Fragen nach Seespiegelschwankungen oder Düngungshorizonten zu beantworten.

 

Diese archäoökologischen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen und sollen 2019 fortgeführt werden. In Kombination aber mit weiteren Befunden kann ein relativ dynamisches Bild von der Umwelt am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit postuliert werden. Der Seespiegel lag wahrscheinlich um bis zu zwei Meter tiefer, was durch das taucharchäologische Auffinden von versunkenen Baumstubben und Schilftorfen bestätigt wird. Die kleine Eiszeit, deren zeitlicher Rahmen noch immer nicht befriedigend geklärt ist, könnte am Ende des Mittelalters diese Seespiegelschwankung ausgelöst haben. Die Ausbrüche tropischer Vulkane mit hochaufsteigenden plinianischen Eruptionen haben diese Klimaschwankung zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wahrscheinlich verursacht. Die unterwasserarchäologische Forschung der BGFU in enger Kooperation mit Naturwissenschaftlern kann so einen wichtigen Beitrag zur Umweltgeschichte in Bayern liefern.

 

Die Taucher der BGFU werden 2019 ein aktuelles 3D-Modell der Fundstelle von Bernried erstellen, um so die Ablagerung der Kulturschichten im Flachwasser zu rekonstruieren. Eine geplante unterwasserarchäologische Grabungskampagne wird eine optimale Dokumentation der durch Erosion gefährdeten Fundstelle garantieren.

 

Da es sicherlich keine Selbstverständlichkeit darstellt, ist besonders die konstruktive Unterstützung der Gemeinde Bernried hervorzuheben. Der äußerst kulturinteressierte Bürgermeister Josef Steigenberger hat einen bedeutenden Anteil am Erfolg des Bernried-Projektes.

 

 

 

 

Martinus Fesq-Martin und Max Fiederling

 

 

Literatur:

 

Jahresbericht der BGfU 2017 – M. Ahl: Tauchprospektion vor dem Kloster Bernried

 

Päffgen, Bernd & Martinus Fesq-Martin (2018): Spurensuche Unterwasser. Akademie aktuell, Zeitschrift der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 03/18, S. 68-71.