Antike Stätte Meninx, Djerba / Tunesien - Projekt 2018

 Seit 2015 und mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft untersucht das Institut für Klassische Archäologie der LMU München (Prof. Dr. Ritter) in Zusammenarbeit mit dem Institut National du Patrimoine Tunisie (Dr. habil. Ben Tahar) die antike Stadt Meninx an der Südküste der Insel Djerba. Wirtschaftliche Bedeutung verdankte Meninx vor allem der Purpur-Gewinnung. Diese ließ Meninx zu einem der wichtigsten Zentren in diesem Wirtschaftszweig aufsteigen und führte zu einer Blütezeit im 2. und 3. Jh. n. Chr.

Seit 2017 ist die BGfU dazu eingeladen, die Hafensituation sowie die antiken Schifffahrtswege von und zur antiken Stätte zu entschlüsseln. Mit Sidescan-Fahrten und Tauchprospektionen hatten die „BGfU-ler“ im Vorjahr mehrere Fundkonzentrationen im kleinen, uferparallel verlaufenden Unterwasserkanal lokalisieren können. Offenbar war der bis zu 6 m tiefe und 50 m breite Kanal über Jahrhunderte hinweg als antike Schifffahrtsstraße genutzt worden. Die Funde des Vorjahres hatten vor allem eine spätrömische bis byzantinische Datierung ergeben. Einer der Fundpunkte wies interessanterweise neben Keramik der erwähnten Zeitstellung auch bearbeitete Kalksteinblöcke, den Rest eines Pfahls (mit einer 14C-Datierung in das 3./4. Jh. n. Chr.) sowie einen größeren Stein mit einer rundlichen Aussparung in Form eines potentiellen Festmachersteins auf. Damit war die Interpretation dieses speziellen Fundpunktes sowohl als Verlusthorizont als auch als spätrömischer Schiffsanleger denkbar. Weitere Untersuchungen des Vorjahres befassten sich mit dem Flachwasserareal zwischen dem kleinen Unterwasserkanal und der heutigen Küstenlinie unterhalb der antiken Stadt Meninx. Bathymetrische Untersuchungen und begleitende Sedimentbohrungen hatten Hinweise auf einen antiken und sterilen Meeresuntergrund in ca. 70 Metern Entfernung vom heutigen Küstenverlauf ergeben. Darüber hinaus konnten in den Bohrungen im Flachwasser und auf Höhe des macellum Keramikfragmente, Holz- und Holzkohlereste dokumentiert werden, die den antiken, sterilen Meeresboden bedeckten.

Drei Untersuchungsschwerpunkte waren Ziel der diesjährigen unterwasserarchäologischen Unternehmungen. Zum einen war dies die genauere Untersuchung des erwähnten Fundpunktes im kleinen Unterwasserkanal. Dabei sollte Klarheit geschaffen werden, ob der Fundpunkt eine Bebauung des Kanalufers und damit einen antiken Schiffsanleger anzeigt oder lediglich einen Verlusthorizont. Zum anderen sollte die küstennahe Stratigraphie auf Höhe des macellum genauer analysiert werden. Die Ausdehnung der dortigen Fundkonzentration (mit einem möglichen Brandhorizont) sowie eine genauere stratigraphische Analyse zur Entschlüsselung des antiken Litorals standen an diesem Platz im Vordergrund. Außerdem war eine weitere Prospektion des kleinen Unterwasserkanals sowie die Betauchung von interessanten Fundstellen vorgesehen.

Zur Verifizierung des oben erwähnten Fundpunktes im kleinen Unterwasserkanal wurden am tiefsten Punkt des Kanals zwei an einer Grundlinie ausgerichtete Schnitte mit einer Ausdehnung von jeweils 1,5 x 1,0 m angelegt. Zusätzlich fanden Sedimentbohrungen längs zum Unterwasserkanal und in Querrichtung statt. Das Unterwasserrelief wurde durch eine genauere Bathymetrie mittels Sidescan-Sonar dokumentiert. Die Untersuchung der küstennahen Stratigraphie erfolgte mittels eines großflächigen Bohrprogramm und der Anlage von 81 Bohrpunkten Hier galt es, die Ausdehnung der Fundschicht vor dem macellum sowie die antike Küstenlinie zu ermitteln. An der Stelle der höchsten Fund-/Kulturschichtkonzentration wurde ein Schnitt von 2,0 x 2,0 m angelegt. Sidescan-Sonarfahrten und Prospektionstauchgänge dokumentierten am Ende der zweiwöchigen Kampagne weitere Fundpunkte am nordöstlichen Ende des kleinen Unterwasserkanals und führten – soweit aus den ersten Beobachtungen ableitbar – zur Entdeckung mehrerer spätantiker bzw. byzanthinischer Wracks.

Das Arbeitsponton, die Boote sowie die Tauchausrüstung wurden durch den Tauchclub Tipaza aus Ajim und durch seine Mitarbeiter Abdallah Mateur und Hamza Ahmed bereitgestellt. Diese kümmerten sich wie im Vorjahr in bewährter Weise um die tägliche Befüllung der Tauchflaschen sowie um die Wartung des Tauchequipments. Die Pumpe und die Dredges sowie das Grabungsequipment wurden durch die BGfU bereitgestellt, die durch Max Fiederling, Tobias Pflederer, Maximilian Ahl, Eric Kressner, Marko Runjajić und Michael Heinzlmeier vertreten waren.

 

Untersuchungen im kleinen Unterwasserkanal – Ein jahrhundertelang genutzter Seeweg

In der bathymetrischen Analyse des Unterwasserkanals war an der Stelle der oben erwähnten Fundkonzentration eine Sedimentzunge erkennbar, die sich von der südlichen Kanalbegrenzung in Richtung Kanalmitte vorschiebt. Die Sedimentbohrungen zeigten in diesem Bereich jedoch keinerlei darunterliegende Strukturen oder Kulturschichten an. Vielmehr ist von einer strömungsbedingten Sedimentanhäufung auszugehen. Die Bohrungen zeigten auch in Längs- und Querrichtung zum Fundpunkt keine tieferliegenden Fund- bzw. Kulturschichten. Die beiden angelegten Schnitte im kleinen Unterwasserkanal führten zur Entdeckung mehrerer komplett erhaltener Keramikgefäße vorwiegend spätantiker und byzanthinischer Zeitstellung. In einem der Schnitte konnte zudem eine stark erodierte Planke in Nut-Feder-Bauweise und damit der mögliche Rest einer Bordwand dokumentiert werden. Der Holzfund wird aktuell analysiert und radiometrisch datiert. Weiterhin konnten mehrere Einzelobjekte aus Glas, Stein und Holz in beiden Schnitten erfasst werden, die aufgrund eines fehlenden Kontextes und aufgrund ihrer Durchmischung Verlust- oder Abfallobjekte darstellen und eine Zeitspanne von punischer Zeit bis in das späte 7. bis 8. Jh. n. Chr. abdecken. Strömungs- und erosionsbedingt scheint es in dem durch die beiden Schnitte untersuchten Areal zu einer Anhäufung und Durchmischung von Objekten unterschiedlichster Zeitstellung gekommen zu sein, die die Nutzung des kleinen Unterwasserkanals als Schifffahrtsweg über viele Jahrhunderte beweisen. Das Fundmaterial ist allerdings in keinen Kontext eingebettet. Hinweise auf eine Bebauung des kleinen Unterwasserkanals und damit auf einen Schiffsanleger an dieser Stelle konnten nicht erbracht werden.

 

Untersuchungen im Flachwasserbereich vor dem macellum – Ein kaiserzeitlicher Schiffsanleger

Die stratigraphischen Beobachtungen in den Sedimentbohrungen des Vorjahres und der dabei ebenfalls dokumentierte Fundhorizont in ca. 1,30 m Sedimenttiefe ließen bereits an das Vorhandensein eines Schiffsanlegers vor dem macellum und der horrea denken. Darüber hinaus ist an dieser Stelle an der heutigen Küste eine Steinschüttung feststellbar, die in südöstlicher Richtung und damit in Achse zur antiken Gebäudeausrichtung in den Lagunenbereich verläuft. Sie könnte eine Substruktion für aufgehende Baustrukturen, z. B. für einen Schiffsanleger, darstellen. Ausgehend von diesen Beobachtungen wurden die bereits oben erläuterten Bohrlinien installiert und insgesamt 81 Sedimentbohrungen in einer Tiefe von bis zu 4,0 Metern durchgeführt. Damit sollte die Ausdehnung der Fundschicht erfasst werden und Rückschlüsse auf das antike Litoral getroffen werden. Die Bohrkerne in ufersenkrechter Richtung ließen erkennen, dass erstmals ab ca. 55 m Entfernung von der heutigen Küste und unter einer Deckschicht aus dunklem und hellem Schluff (stark und mäßig bewachsenes Litoral) eine Schicht aus hellem, lehmigem Sand angetroffen werden kann, die keinen oder nahezu fehlenden Bewuchs aufwies. Diese hellere Schicht dürfte als steriler Meeresboden anzusprechen sein. Ab einer Entfernung von 67,5 Metern zur heutigen Küste wird diese helle Sandschicht und in einer Sedimenttiefe von 1,0 bis 1,3 Metern erstmals von etwas Keramik überdeckt. In 80 Metern Entfernung zur Küste weist die Fundschicht ihre höchste Konzentration auf und ist partiell auch mit Holzkohle und Holz durchmengt. Die Fundschicht dünnt danach in Richtung des kleinen Unterwasserkanals aus. Letztmalig ist sie in 160 Metern Entfernung in nur noch dünner Ausprägung nachweisbar.

Ausgehend von der Fundkonzentration in 80 Metern Entfernung von der heutigen Küste erfolgte die Anlage von weiteren parallelen und queren Bohrtransekten, so dass im Bereich der höchsten Fundkonzentration eine stratigraphische Grabung auf einer Fläche von 2,0 x 2,0 m durchgeführt werden konnte. Insgesamt erwies sich die aufgedeckte Fundschicht als antiker Abfall- und Schutthorizont, bestehend aus Keramikfragmenten, verbranntem Holz, botanischen Speiseresten und weiteren Abfallprodukten. Im Nordostprofil des Aufschlusses ließen sich große Mörtelblöcke mit Ausbruchsspuren dokumentieren. Ausgehend vom Fundmaterial verdichten sich die Hinweise auf einen kaiserzeitlichen Schiffsanleger, der in Blockbauweise als Zweischalenmauerwerk errichtet worden sein könnte. Aufgrund der Fundverdichtung in ca. 80 Metern Entfernung zur heutigen Küste dürfte an dieser Stelle mit dem Kopf des Anlegers zu rechnen sein. Berücksichtigt man die uferparallele Fundausdehnung in den Bohrprofilen, dürfte dessen Breite 10 bis 15 Metern betragen haben. Mögliche Rekonstruktionen als sog. „jetty with platform“, wie sie als Form der Schiffsanleger im Umland bekannt sind, scheinen möglich.

Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang auch die begleitenden Beobachtungen in den Bohrprofilen. Die Fundschicht bedeckt stets das helle Meersediment und wird nach oben nicht mehr durch Meersediment überdeckt, sondern durch ein durch Bewuchs geprägtes, litorales Sediment. Es scheint somit während der kaiserzeitlichen und kurzen Nutzung des Anlegers zu hydrologischen Veränderungen in der Lagune gekommen zu sein, die zu einer zunehmenden Verlandung und wohl auch zur Aufgabe des Schiffsanlegers geführt haben. Die Ursache für die Verlandung ist nicht geklärt. Denkbar ist jedoch, dass der mutmaßlich römerzeitliche Damm, der die Insel Djerba mit dem Festland verbunden haben soll, eine Rolle gespielt hat und über die Jahrzehnte hinweg zu einer hydrologischen Veränderung in der Lagune und deren Fließeigenschaften geführt hat. Bekannte Parallelen finden sich im Hafen von Alexandria. Der Bau des Heptastadion, des Dammes zur Insel Pharos, hatte dort letztlich die Verlandung des Großen Hafens zur Folge. Aufgrund der zeitlich umschriebenen Nutzung des vermuteten Schiffsanlegers sowie der zu vermuteten Verlandung der Lagune ab der römischen Kaiserzeit müssen spätere Anleger und Häfen an anderer Stelle vermutet werden.

 

Untersuchungen am nordöstlichen Ende des kleinen Unterwasserkanals – Spätantike Wracks?

Die Sidescan-Sonarfahrten am Ende der Kampagne führten zur Entdeckung von mehreren, großflächigen Amphorenfeldern im nordöstlichen Bereich des kleinen Unterwasserkanals. Bei der Betauchung zeigten sich räumlich getrennte Fundkomplexe aus Amphoren und bearbeiteten Kalksteinblöcken, die jeweils unterschiedliche Datierungen in die byzantinische Zeit aufweisen. Aufgrund der Größe der Fundobjekte (Amphoren, dolia, Kalksteinblöcke) scheint eine sekundäre Verlagerung kaum möglich. Insgesamt ist aufgrund der Fundkonzentrationen eher von Wrackfundstellen auszugehen. Die Konzentration der Funde aus byzantinischer Zeit an diesem Ort lässt zudem an einen nahen Schiffsanleger dieser Zeitstellung denken.

 

 

Tobias Pflederer, Max Fiederling