Die Insel Mozia befindet sich im Zentrum der Stagnone-Lagune vor der sizilianischen Westküste. Flankiert durch das sizilianische Festland im Osten sowie die Isola Grande im Norden und Westen bot die Lagune ideale Voraussetzungen für einen geschützten, antiken Ankerplatz. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die Phönizier – als die antike Handelsmacht im Mittelmeer – das Eiland ab ca. 800 v. Chr. für sich entdeckten und fortan besiedelten. Mit zunehmender Bedeutung der Siedlung und weiterer Expansion versahen die Phönizier die Insel im 6. Jh. v. Chr. mit einer umlaufenden Mauer und errichteten einen künstlichen Damm mit Straße, die die Nordseite der Insel mit dem sizilianischen Festlandverband. Die enge Nachbarschaft zu griechischen Kolonisten und ihre Rivalität mit ihnen kumulierten in einer Belagerung und Eroberung der Insel im Jahre 397 v. Chr. durch den Tyrannen Dionysius I. von Syrakus. Antike Quellen berichten, dass die phönizischen Siedler vergeblich versuchten, den Aufmarsch der Griechen zu verhindern, indem sie die heute noch im Luftbild erkennbare Straße zum Festland zerstörten.
Es darf als Glücksfall in der Archäologie bezeichnet werden, dass die Insel seit phönizischer Zeit nicht überbaut wurde. Dies ist vor allem dem englischen Weinhändler Joseph Whitaker zu
verdanken, der die archäologische Bedeutung der Insel bereits zu seiner Zeit verstand und sie im Jahre 1888 erwarb. Auf Einladung der Soprintendenza del Mare/Palermo (Prof. Dr. Sebastiano Tusa,
Dr. Francesca Oliveri), die sich seit vielen Jahren mit den unterwasserarchäologischen Befunden um die Insel beschäftigen, erhielten Taucher der BGfU die Möglichkeit, bei der weiteren Erforschung
der Gewässer um die Insel teilzunehmen. Die sizilianisch-deutsche Kooperation wurde von Mitgliedern der Guarda di Finanza aus Palermo und Trapani unterstützt.
Hauptaugenmerk galt zunächst dem phönizischen Damm, der die Insel über eine Länge von 1,7 km mit dem sizilianischen Festland verband. Der Verkehrsweg, der heute nur wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegt, diente sicherlich dem Transport von Waren in und aus der Stadt. Gleichzeitig erlaubt er aber auch eine Teilung der nördlichen Lagune in zwei Hälften, die einen ungehinderten Verkehr von größeren Schiffen und damit die Anlandung von „ungebetenen Gästen“ verhindern konnte. Die durch die BGfU ausgeführten Sidescan-Untersuchungen konnten aufgrund des niedrigen Wasserstandes und widriger Witterungsumstände zwar nur einen Teil des Weges abdecken. Dennoch war eine grobe Klärung der Konstruktionstechnik möglich. Bei einer Breite von 7 – 8 m besteht der Damm an seinen Seiten aus zwei parallel verlaufenden und jeweils 2 – 3 m breiten Schüttungen aus mittelgroßen Bruchsteinen. Die Mitte des Dammes wurde mit kleineren Steinen und Kieseln verfüllt. Diese Konstruktion diente dann als Basis für den Laufhorizont darüber. In etwa 150 m Entfernung zur Insel befindet sich am besagten Damm eine Art Plattform mit leicht geneigten Kalksteinplatten. Die Kollegen der Soprintendenza del Mare um Dr. Francesca Oliveri hatten diesen Bereich bereits in den Vorjahren untersucht und als möglichen Anlandeplatz für kleinere Boote interpretiert. Größere und entfernt gelegene Schiffe hätten auf diese Weise ihre Ladung löschen und dann mit kleineren Booten zur Verkehrsader in die Stadt bringen können.
Die weiteren Untersuchungen wandten sich dem Gewässer vor dem Südufer der Insel zu. Ein großes, rechteckiges Wasserbassin im Inneren der Insel wurde dort lange Zeit als sog. „Kothon“, also als ein phönizischer künstlicher Hafen interpretiert. 2014 hatten hydrographische Untersuchungen vage von Molen und Schiffskanälen berichtet, die dem Südufer vorgelagert seien und auf den künstlichen Hafenim Innern von Mozia zuführen sollten. Mittlerweile hatten neuere Forschungen der Universität Rom die Funktion des Wasserbeckens als Hafen widerlegen können und eine sakrale Nutzung in Nähe zum angrenzenden Tempel für Baal Addir bzw. Poseidon nahegelegt. Und der früher beschriebene „Kanal“ zwischen Becken und Meer entpuppte sich als antikes Trockendock für Schiffsreparaturen, so dass auch keine echte Verbindung zwischen „Kothon“ und Meer zu phönizischer Zeit bestand. Die bathymetrischen und taucharchäologischen Untersuchungen der BGfU konnten dann auch die Berichte zu mutmaßlichen Molen bzw. Kanälen vor dem Südufer entkräften. Sie erwiesen sich als natürliche Felsformationen und Posidonia-Matten. Eine gebogene Struktur aus kleinen bis mittelgroßen, behauenen Steinen vor dem Südufer, die auf den „Kothon“ zuführt, ergab keine Verbindung zu darunterliegenden Bauten. Sie dürfte eher eine Funktion als Wasserableitung zu mittelalterlicher Zeit besessen haben, als der „Kothon“ als Fischteich bzw. Saline genutzt wurde.
Eine echte Überraschung bot sich den Tauchern der BGfU aber während eines Nachttauchgangs vor dem Ostufer. In direkter Nähe zum modernen Pier konnte eine Vielzahl spätrömischer Keramikfragmente entdeckt werden. Dies ist umso bedeutender, als dass für Mozia eine spätrömische Besiedlungsphase bislang kaum eine Rolle spielt. Die anschließend durchgeführten Sidescan-Untersuchungen zeigten in der bathymetrischen Analyse, dass der Fährverkehr an dieser Stelle zu einem starken Erosionsprozess und zu einem Sedimentabtrag von bislang über einem Meter geführt hat. In weiteren Tauchgängen konnten 40 Pfähle mit unterschiedlichem Querschnitt (rund, recht- und dreieckig) eingemessen werden. Während die Holzanalyse an 5 Pfählen Pinus nigra und Fagus sylvatica ergab, steht die dendrochronologische Datierung noch aus. Insgesamt konnten an den Tagen nach der Entdeckung des Fundplatzes fast 24 kg an Keramik im durch den Fährverkehr bedrohten Bereich abgesammelt werden. Dabei handelte es sich um 26 Amphoren-, 97 Wand-, 19 Boden- und 2 Dolia-Fragmente sowie um 13 Scherben der Pantelleria-Ware. Die Begutachtung der typologisch verwendbaren Scherben ergab vorwiegend spätrömische Datierungen und eine überwiegend nordafrikanische Provenienz, wie z. B. die Typen Africaine I und IIC sowie Keay 26 und 25B. Viele der Amphorenfragmente wiesen noch Harzreste auf. An einigen fanden sich sogar noch Seilreste – ursprünglich zum Fixieren der Gefäße z. B. an Bord eines Schiffes gedacht. Darüber hinaus wurde ein 5,5 kg schweres Fragment eines römischen Bleiankers entdeckt. Insgesamt weisen der Anker, die z. T. noch mit Seilresten versehenen Amphoren sowie auch die Fragmente der Dolia auf einen bislang unbekannten Ankerplatz spätrömischer Zeitstellung hin. 2018 wird der Fundplatz in Form einer stratigraphischen Ausgrabung genauer untersucht werden.
Tobias Pflederer, Max Fiederling, Detlef Peukert