Kroatien, Der Hafen von Veštar 2010 - "... Istrien revisited"

Nach längerer Zeit hieß es am 31. Oktober letzten Jahres für vier unserer Mitglieder wieder einmal ab nach Istrien. Ziel war Veštar südlich von Rovinj/Kroatien und die in der Bucht liegende römische Hafenanlage. Bereits im November 2009, auf der Brückentagung in Regensburg, wurden erste Gespräche über eine Kooperation gestartet, die bereits am 27. März 2010 zu einer Vortragsreihe am International Centre for Underwater Archaeology in Zadar geführt hatte. Mit den ersten Vorgesprächen sollte an die äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der BGfU und dem kroatischen Denkmalpflegeamt unter Mario Jurisić in den 1990ern angeknüpft werden. Damals wurden unter anderem ein spätantikes Schiffswrack bei Hvar sowie die Hafenanlage der größten villa maritima der östlichen Adria in der Val Catena Bucht auf Brioni untersucht. Politische Ereignisse und persönliche Schicksale führten jedoch zu einer Ermüdung der Kooperationen in Istrien. Die BGfU arbeitete fortan mit anderen internationalen Institutionen zusammen, die unter anderem zu Aufenthalten in der Türkei führten. Die letztjährige, in kleinem Rahmen abgehaltene Kampagne, sollte nun wieder Leben in das bayerisch-kroatische Unterfangen bringen.

 

Zusammen mit Luka Bekić, dem Direktor des International Centre for Underwater Archaeology in Zadar und mehreren seiner Mitarbeiter, galt das Hauptaugenmerk der Kampagne der Fortführung der bereits begonnenen Sondagegrabungen und der Vermessung der Mole in der Bucht von Veštar. War der 31. Oktober noch von der Anreise und der Suche nach der Unterkunft bestimmt, ging es an Allerheiligen bereits richtig los. Nach dem obligatorischen Morgenkaffee und einer Besprechung in der Tauchbasis wurde gemeinsam in die Bucht von Veštar gefahren. Ein erster Tauchgang sollte absolviert und die morgens besprochene Vorgehensweise vor Ort geklärt werden. Der Prospektionstauchgang in der Bucht und entlang der Mole machte unsere Mitglieder mit dem Gebiet und den Verhältnissen in der Bucht vertraut und gewährte einen ersten Überblick über den Arbeitsplatz der kommenden Woche. Die Sicht war mehr als mäßig (knapp einen Meter), aber die Freude über den Start der Kampagne half darüber hinweg. Am 2. November ging es dann richtig los. Während die kroatischen Taucher die dredge in das Schlauchboot hoben und an die Grabungsstelle brachten (eine Aktion, die jeden Tag durchgeführt wurde), ging es bereits am Grabungsort in Zweierteams ins Wasser. Zuerst mussten die Molensteine vom Bewuchs gereinigt und vom angeschwemmten Sand befreit werden, damit sie besser erkannt und in einem späteren Arbeitsschritt eingemessen werden konnten. Der Bewuchs war mancherorts so dicht, dass man zu Beginn die flach aufliegenden Steine nicht vom Untergrund unterscheiden konnte, weshalb auch eine Schnur als Hilfslinie entlang der Mole verlegt werden musste. Gleichzeitig galt es aber auch, die in der Bucht außergewöhnliche und oft einzigartige Flora und Fauna nicht zu sehr zu beeinträchtigen, so dass nicht der gesamte Bewuchs entfernt werden konnte.

 

Als dann die dredge über den Sondagegruben platziert war, konnte auch hier die Arbeit beginnen. Zuerst kamen nur Bruchsteine, vermutlich von der Verfüllung der verstürzten Molenwand und eingeschwemmtes Material zum Vorschein, ab dem zweiten Tag wurden dann auch datierbare Funde geborgen. Durch Fragmente pannonischer Reliefwaren unterschiedlichen Dekors als auch von Glasgefäßen, konnte die Schicht, in der bis zum Abschluß der Arbeiten gegraben wurde, in die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert werden. Der gewachsene Boden, auf dem die Mole errichtet wurde, soll während der Fortsetzung der Kampagne im Jahr 2011 erreicht werden. Beim Grabungsfest am Abend des 4. November, dem ersten angenehmen und relativ trockenen Tag, wurde direkt am Einstieg in die Bucht gegrillt und gemütlich gefeiert. Erst die herbstlichen Temperaturen beendeten das gesellige Beisammensein.

 

Ein kleines highlight bildete der folgende Tag. Nachdem unter Hochdruck bis in die einbrechende Dunkelheit die Mole eingemessen wurde, wurden die Teilnehmer eingeladen, an einem abendlichen Vortrag im Museum von Rovinj teilzunehmen. Die Vorträge von Luka Bekić und Mladen Pesić berichteten über die Arbeiten des International Centre for Underwater Archaeology und der beiden Kampagnen in der Bucht von Veštar. Dabei kam Marcus Prell die besondere Ehre zuteil, in einem kleinen Beitrag die Geschichte und die Betätigungsfelder der BGfU vorzustellen. In Zusammenarbeit mit dem Museum Rovinj sollen auch ab diesem Jahr, in jährlichen Schriften, die Ergebnisse der Grabungen in der Bucht von Vestar veröffentlicht werden, bei der auch unsere Mitglieder eingebunden werden sollen.

 

Da die Vermessungsarbeiten an der Mole bereits am Freitagabend abgeschlossen waren, konnte ein Teil der bayerischen Teilnehmer am Samstag freinehmen und das überaus reiche kulturelle Angebot wahrnehmen. Während die Arbeiten in der Bucht von einem kroatischen Fernsehteam und der örtlichen Presse begleitet und dabei auch unsere Teilnehmer interviewt wurden, hieß es für den restlichen Teil die archäologischen Hinterlassenschaften Istriens zu erkunden. Neben dem römischen Amphitheater und Forum von Pula ging es zur villa maritima von Vizula und der dort noch gut erhaltenen Mole, die in ihrer Anlage gut mit dem Arbeitsplatz der letzten Woche vergleichbar ist. Endlich konnte auch die eisenzeitliche Höhenbefestigung von Monkodonja, an der die tägliche Fahrt zur Tauchbasis vorbeiführte, besichtigt werden; bei einem idyllischen Sonnenuntergang wurden dort erste Resümees gezogen, bevor es zurück nach Rovinj ging. In der Bucht brachte währenddessen der letzte Grabungstag, wie dies auch die Regel bei Landgrabungen ist, die schönsten Funde; so konnte neben weiterer gut erhaltener Keramik und mehreren Amphorenfragmenten, ein gestempelter Amphorenhals geborgen werden, welche die anfängliche Datierung stützten. Am Abend traf man sich wieder mit den anderen Teilnehmern an der Tauchbasis, nahm das obligatorische Abschlußbild auf und verabschiedete sich von den neu gewonnenen kroatischen Freunden. Dann hieß es für unsere Mitglieder zum letzten Mal gemeinsam Abendessen und die kulinarischen Köstlichkeiten Istriens zu genießen, bevor es in die Unterkunft ging.

 

Am Abreisetag gab es vor der Abfahrt von Davor Milosević, der während der Kampagne für die Tauchsicherheit zuständig war, noch Abschiedsgeschenke. Anschließend konnte noch der in Nachtschicht, von zweien unserer Mitglieder, erstellte und handgezeichnete Plan der Mole an Luka Bekić übergeben werden. Gemeinsam fuhr man zurück nach Deutschland und nach einem letzten gemeinsamen Kaffee am Chiemsee trennten sich auch die Wege der bayerischen Gruppe.

 

Die gemeinsame Kooperation in der Bucht von Vestar brachte für uns nicht nur den Auftakt einer erneuten engen Zusammenarbeit mit dem Centre for Underwater Archaeology, denn unsere Mitglieder waren daran beteiligt, die Geschichte Istriens und im Besonderen Rovinjs zu erforschen und möglicherweise sogar umzuschreiben. Es könnte, ausgehend von den geborgenen Funden, durchaus möglich sein, den Beginn der Siedlung, die von Luka Bekić als Vorgängersiedlung vom naheliegenden Rovinj angesprochen wird, in das frühe 1. Jahrhundert n. Chr. oder gar in spätrepublikanische Zeit zu datieren. Eine kleine Sensation, da die bisher aufgelesenen Funde an Land eher für eine Datierung der gesamten Anlage mit ihren Wohnbauten in das späte zweite Jahrhundert und die Spätantike deuteten. Eine derart frühe Datierung scheint für das seit 178/177 v. Chr. in römischem Besitz befindliche und seit spätestens 18/12 v. Chr. zu Italien gehörige Istrien nicht ungewöhnlich. In Pula finden sich Inschriften von Vertrauten Caesars und auch die Entstehung der Vorgängerbauten der villa maritima auf Brioni wird in spätrepublikanische Zeit datiert. So kann die Kampagne, während der die Taucher über 65 Stunden unter Wasser verbrachten, als äußerst erfolgreich gewertet werden. Der Grundstein für eine erneute Zusammenarbeit ist gelegt und die Planung der Kampagne 2011 hat bereits begonnen. Die Teilnehmer waren sich einig, dass die kühlen Wassertemperaturen, das oft schlechte Wetter und die lange Anfahrt die Mühen wert waren, denn es wurden nicht nur neue Freundschaften geschlossen, sondern auch Land, Leute und unterschiedliche Arbeitsweisen kennengelernt, die oft im gemütlichen Beisammensein ausgetauscht wurden.

 

 

Mario Bloier