Im April 1910 stattete Dr. Paul Reinecke in seiner Funktion als Leiter des neuorganisierten Kgl. Generalkonservatoriums der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns der kleinen Gemeinde Wolkersdorf am Ostufer des Waginger Sees einen Besuch ab. Zwei Jahre zuvor war hier im Uferbereich beim Schilfschneiden ein bronzenes Schalenknaufschwert entdeckt worden. Zusammen mit dem Waginger Pfarrer Karl Fastlinger, der den Ortstermin organisiert hatte und von Pfählen zu berichten wußte, suchte Reinecke den Bereich der Fundstelle ab, fand zahlreiche Pfahlstumpen im Sande und vermerkte schließlich in seinem Bericht: "Die Pfahlbauten liegen in der Nähe der alten Strandlinie, auf der seichten, das Ufer begleitenden Stufe". Eine daraufhin angesetzte Sondagegrabung im Juni 1911 blieb ohne positive Befunde, was den Pfahlbauforschungen am Waginger See ein jähes Ende bescherte.
Im April 2001 nutzte die BGfU einen freien Grabungstag am Chiemsee, um zusammen mit Ortsheimatpfleger Franz Patzelt die beschriebene Fundstelle zu prospektieren. Ein mehrere Meter breiter
Schilfgürtel gibt nur an wenigen Stellen den Zugang zum See frei und macht damit eine Erkundung in direkter Ufernähe unmöglich. Im schlammigen Seegrund, der, wie bereits Reinecke berichtet, in
einer Entfernung von ca. 15-20 m steil abbricht, fanden sich neben einer Menge Müll an vereinzelten Stellen dünne Holzpflöcke, die starke Erosionsspuren aufweisen. Einer der Pfläcke (Dm 6 cm, L
36 cm), mit mehreren Schlagkanten an der Spitze, wurde ins Dendrolabor des Denkmalamts weitergereicht. Er dürfte ebenso wie die anderen Hölzer Fischereizwecken jüngeren Datums zuzuordnen sein,
besitzt aber für eine Datierung zu wenige Jahrringe. Punktuelle, mit einem Kammerbohrer entnommene Sedimentproben brachten lediglich Seekreide zu Tage.
Die bayerische Pfahlbaulücke zwischen Bodensee und Salzkammergut klafft - mit Ausnahme des Starnberger Sees - weiter.
Marcus Prell