Die jungneolithische Pfahlstation von Kempfenhausen                  Kampagne 2012 - "zurück in bekannten Gewässern"

Nach einer über 10jährigen Unterbrechung war es am 03. November 2012 wieder soweit. Mit instandgesetztem Equipment sowie insgesamt 8 Tauchern fiel der Startschuss zu einer zweiwöchigen Kampagne in der neolithischen Pfahlstation von Kempfenhausen im Starnberger See – unterstützt durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Die einzig echte Pfahlbausiedlung auf heutzutage bayerischem Boden und Lage auf einer ehemaligen Insel vor dem Ostufer des Sees wartete bereits in der Vergangenheit und seit Beginn ihrer Erforschung in den 1980er Jahren immer wieder mit spannenden Funden und Befunden auf. Trotz oberflächlich starker Zerstörung durch Erosion und Abtrag der aufliegenden Kulturschicht haben sich auf dem ehemaligen Inselrücken Pfähle und Funde erhalten. Darüber hinaus ist in den ehemaligen Uferbereichen der Insel immer noch mit Kulturschichtresten zu rechnen.

 

Was wissen wir bislang? Offensichtlich existierte die Inselsiedlung nur über eine sehr kurze Zeit. Alle jahrgenauen Fälldaten der entnommenen Holzproben weisen schwerpunktmäßig in die Zeit zwischen 3723 und 3719 v. Chr. Und nach einer sehr kurzen Besiedlungsphase scheint die Station – aus welchen Gründen auch immer – wieder verlassen worden zu sein. Allem Anschein nach trafen die steinzeitlichen Siedler auf einen bislang unbewohnten Bereich. Die gefällten Eichenstämme, die man für die Errichtung der Pfahlstation verwendete, waren meist über 200 Jahre alt – Jungholz, wie es in wirtschaftlich genutzten Landschaften zu erwarten wäre, fehlt vollständig. Anhand des Formenspektrums der Keramik- und Kupferfunde kann man erahnen, dass die Menschen der damaligen Zeit entlang des Alpenhauptkamms sowohl Kontakt nach Westen in Richtung der Pfyn-Altheimer-Kultur Oberschwabens hatten als auch in Richtung Osten ins Salzkammergut zur Mondsee-Gruppe pflegten. Trotz einer bislang dokumentierten Fläche von 300 Quadratmetern ließen sich keine Hausgrundrisse rekonstruieren. Eine mögliche Erklärung könnte die Erbauung der Siedlung auf echten Stelzbauten bieten, also die Errichtung von vom Boden abgehobenen Plattformen. Dies legt zumindest der Fund eines charakteristischen Spaltholzes in den 1990er Jahren nahe.

 

Ziel der diesjährigen Untersuchung wie auch der Folgekampagnen in den kommenden Jahren soll eine komplette Dokumentation des Pfahlfeldes sein, um evtl. bislang noch nicht zu erkennende Baustrukturen oder Hausgrundrisse im Gesamtplan identifizieren zu können. Gleichzeitig ist durch eine umfassende Verprobung der verwendeten Pfähle eine exaktere zeitliche Einordnung der Anlage und Identifizierung von unterschiedlichen Bauphasen denkbar. Während der diesjährigen Kampagne wurden in 79 Tauchstunden und mit 16 kalten Taucherhänden insgesamt 28 Quadratmeter in Form von Oberflächenaufnahmen dokumentiert sowie 24 Pfähle, 7 liegende Hölzer und 24 Einzelfunde verprobt. Spannenderweise konnte bereits durch die diesjährige Kampagne die Zeitspanne der Fälldaten an den entnommenen Holzproben in beide Richtungen erweitert werden. So liegen nun zusätzliche Fälldaten einerseits für das Jahr 3718 v. Chr. und für die Zeit zwischen 3746 und 3737 v. Chr. vor (dendrochronologische Untersuchungen durch Franz Herzig des BLfD). Damit scheint sich – wenn auch in geringem Ausmaß – die Besiedlungsdauer in der Pfahlstation von Kempfenhausen zu verlängern. Auffällig zeigte sich in der diesjährigen Kampagne auch der relativ hohe Anteil an verzierten Keramikfragmenten. Insgesamt waren 23% der Keramikfunde mit einem doppelten oder dreifachen Stichzierband versehen (Anteil an verzierten Funden bislang 10%). Letztlich sei der Fund einer ca. 15 cm großen Randscherbe mit Stichzier und vertikal durchstochener Knubbe mit charakteristischem Sonnensymbol erwähnt, das in der neolithischen Mondsee-Gruppe im heutigen Salzkammergut Entsprechungen findet. Mit dem guten Gefühl, wieder zu den Wurzeln der bayerischen Unterwasserarchäologie zurückgekehrt zu sein, darf mit spannenden Forschungsberichten auch im kommenden Jahr gerechnet werden.

 

 

Tobias Pflederer