Schwarzes Meer, Rumänien - Das römische Schiffswrack Gura Portiţei 1 - 2018

Nach ausschlaggebenden Hinweisen durch den lokalen Fischer Rusu und seit seiner Entdeckung durch Forschungstaucher der BGfU im Jahr 2016 wird das kaiserzeitliche Wrack Gura Portiţei 1 an der rumänischen Schwarzmeerküste seit 2017 genauer erforscht. Vom 31. August bis 7. September 2018 konnte dieses unterwasserarchäologische Kooperationsprojekt zwischen der BGfU (Leitung: Max Fiederling M.A.), der Ludwig-Maximilians-Universität München (Leitung: Prof. Dr. Bernd Päffgen) und dem Institutul de Cercetări Eco-Muzeale (ICEM), der lokalen rumänischen archäologischen Behörde mit Sitz in Tulcea (Direktor: Dr. Sorin Cristian Ailincăi; Projektkooperationspartner: Dr. George Nuţu), abgeschlossen werden. Die Ergebnisse aller bisherigen Kampagnen werden im Rahmen eines Dissertationsvorhabens von Max Fiederling M.A. bearbeitet.

Das Ziel dieser Abschlusskampagne war die Vervollständigung der Grabungen in Schnitt A sowie eine erneute Abdeckung und Sicherung der Fundstelle. An der diesjährigen Kampagne nahmen Prof. Dr. Bernd Päffgen als wissenschaftlicher Leiter (LMU München, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie; Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Vizedirektor der Kommission der Akademie für Archäologie der römischen Alpen und Donauprovinzen), sowie Max Fiederling M.A. als Leiter der unterwasserarchäologischen Arbeiten vor Ort und die BGfU-Mitglieder Daniel Anton M.A., Michael Heinzlmeier M.A. und Eric Kreßner B.A. teil. Außerdem war Max Päffgen als taucherische Assistenz und Feldfotograf Teil des Teams. Von Seiten der Kooperationspartner waren Dr. George Nuţu (ICEM) sowie ein Tauchteam vor Ort und unterstützten das Vorhaben mittels eines Tauchbootes.

Nach der Anreise und Installation der benötigten Ausrüstung vor Ort konnten am 3. September zwei erste Tauchgänge an der Wrackfundstelle erfolgen. Die erste Inspektion zeigte, dass es im Vergleich zum Vorjahr zu keinen nennenswerten Zerstörungen oder fortschreitenden erosiven Prozessen gekommen war. Im Gegenteil, die natürliche Sedimentation hatte zugenommen und zu einer bereits ca. 10 cm dicken Schutzschicht aus Meersediment über der halben Wrackfläche geführt. Dieser natürliche Sedimentationsprozess ist für den Schutz des Objektes von entscheidender Bedeutung und wurde in die Beobachtungen während des Monitorings an der Fundstelle aufgenommen. Während der ersten Tauchgänge konnte zudem ein dreidimensionales Modell von Schnitt A (Mastbereich) mittels structure-from-motion-Technologie (SFM) angefertigt werden. Dieses dokumentierte und visualisierte den Zustand der Geotextilmatte, die im Vorjahr zum Schutz eingebracht worden war. Das Ablesen der im Vorjahr installierten drei Erosionsmarker (zwei im Heck und einer am Bug des Wracks) konnte weitere Erkenntnisse zur veränderten Sedimentation erbringen. Es zeigte sich, dass im Bugbereich keinerlei Sedimentauftrag, in Richtung Mittschiff bis 10 cm und im Heck z.T. über 15 cm Auftrag stattgefunden hat. Nach diesem umfangreichen Survey der Fundstelle und der Dokumentation aller sichtbaren Veränderungen wurde das Geotextil sowie 20 im Vorjahr eingebrachte Sandsäcke und mehrere Fixiereisen aus Schnitt A entfernt. Des Weiteren wurde das Grabungsgerät, zwei Dredges samt C-Schläuchen und Werkzeug in einer Grabungskiste fest am Grund platziert. Am Folgetag wurde der Grabungsrahmen installiert, so dass am darauffolgenden Tag die unterwasserarchäologischen Grabungsarbeiten in Schnitt A wiederaufgenommen werden konnten.

Um eine komplette Stratigraphie des Schiffes einschließlich Ladung und Holzkörper zu erhalten und um somit sämtliche Daten für eine spätere Rekonstruktion gewinnen zu können, wurde in Schnitt A die Grabung und die Entnahme der Amphorenladung fortgesetzt. Neben zahlreichen komplett erhaltenen Gefäßen der Hauptladung konnten auch viele neue, bisher unbekannte organische Materialien dokumentiert und verprobt werden, wie z.B. einige Blätter, die sich innerhalb des Packmaterials zwischen der Hauptladung erhalten hatten. Es gelang darüber hinaus, die hölzerne Querverstrebung, die als Stabilisator des Masts diente, weiter bis an die Bordwand zu verfolgen und Zwischenplana für Zwischenplana innen an der Bordwand und dem Stabilisator abzutragen. Dabei wurde ein 1,5 m breiter und 2,5 m langer Schnitt bis auf die Innenbordwand am Kielschwein angelegt. Die Verkleinerung des ursprünglich größer angelegten Schnittes A musste aus Sicherheitsgründen erfolgen, um ein Abrutschen des Sediments und der Ladung in das Innere des Schnitts zu verhindern. Die wissenschaftlichen Fragestellungen an Schnitt A in Bezug auf Bautechnik und Volumen des Schiffes wurden durch die kleinflächigere Sondage nicht beeinträchtigt.

Im Zuge der weiteren Arbeiten konnte am Stabilisator ein weiterer bautechnischer Annex erkannt werden, der mit dem Stabilisator mittels Eisennägeln und Bleiverguss verbunden war. Eine Verprobung dieses Konstruktionselementes soll Hinweise auf Herkunft und Zusammensetzung des verwendeten Bleis liefern. Neben der Erstellung weiterer 3D-Modelle von Zwischenplana und -profilen wurden weitere Amphoren der Ladung entnommen und in der Nähe der Fundstelle für eine spätere Bearbeitung durch die rumänischen Kollegen des ICEM platziert. In weiteren Tauchgängen konnten einige Reflectance Transformation Imaging (RTI) Datensätze von in situ verbleibenden Bauteilen des Schiffes in Schnitt A angefertigt werden. Diese ließen Säge- und andere Bearbeitungsspuren im Holz sichtbar werden. Anschließend konnte das Team die Grabungsarbeiten in Schnitt A abschließen. Im gesamten Schnitt war der Holzkörper des Schiffes erreichts – von der Innenbordwand bis zum Mastschuh im Kielschwein reichend. Damit war eine komplette Stratigraphie des Schiffes und seiner Ladung geschaffen, die die Möglichkeit zur Dokumentation aller vier Profile bot. Umgesetzt wurde die Profildokumentation erneut mittels SFM-Technologie und einer sehr detaillierten 3D-Modellierung, ausgehend von über 1000 Einzelaufnahmen. Neben der Abschlussdokumentation, die auch das finale Planum mit einschloss, konnten weitere spannende Details festgestellt werden, wie etwa ein ca. 2,5 cm dickes Seil – womöglich aus Bast gefertigt, welches nahe am Mast lag. Auch eine Bastmatte konnte entdeckt werden, die um den unteren Bereich des Masts gewickelt war. Und eine große Menge an flussverrollten Kieseln und Keramik lagen als Ballast in der Bilge des Schiffes. Am Ende der Kampagne verfüllte das Tauchteam der BGfU den Schnitt A mit dem Abraum der Grabungsarbeiten und deckte ihn mit Geotextil und den bereits vorhanden Sandsäcken ab.

Neben den taucharchäologischen Arbeiten wurde am Ufer vor der Fundstelle auf einem 2,5 km breiten Strandabschnitt ein erneuter Flächensurvey durchgeführt. Dabei wurden typologisch auswertbare Lesefunde am Strand dokumentiert sowie Erkenntnisse zur Küstenentwicklung der letzten Jahrhunderte gewonnen. Besonders eindrücklich waren die eigene Erfahrung und Wucht eines schnell heraufziehenden Unwetters an der Fundstelle. Dass ein solch rasch aufziehender Sturm mit unkontrollierbaren Strömungen und Wellengang zu einer Havarie des kaiserzeitlichen Schiffes geführt hat, erscheint gut vorstellbar.

Mit Abschluss der Arbeiten am kaiserzeitlichen Wrack Gura Portiţei 1 konnten sämtliche wissenschaftlichen Ziele erreicht werden. Die Arbeiten der Kampagnen 2016, 2017 und 2018 ließen ein Gesamtbild des untergegangenen Schiffs erkennen – von der Datierung bis zur Herkunft und Konstruktionstechnik. Fragen zum Gesamtvolumen des Schiffes und zur kompletten Menge seiner Hauptladung werden beantwortet werden können. Außerdem werden Aussagen zur Bautechnik möglich sein – beginnend mit der Breite und Holzart der Innenbeplankung bis hin zu den millimetergenauen Ausarbeitungen der besonderen Bauelemente, wie dem Stabilisator. Auch Überlegungen zum verwendeten Werkzeug und zur Herkunft der verwendeten Materialen (Holz, Blei, Eisen, Ballast, Schnüre etc.) werden angestellt werden können. Sämtliche Erkenntnisse konnten mit einem „minimalinvasiven“ Aufwand und lediglich über zwei kleine Sondagen erreicht werden. Von Anfang an galt dem Schutz der Fundstelle und des Objektes obere Priorität – in Einklang mit den Richtlinien und Vorgaben der UNESCO. Die Gesamtauswertung wird im Rahmen der Dissertation von Max Fiederling an der LMU München erfolgen.

 

 

Max Fiederling