Die römerzeitliche Lechbrücke von Oberpeiching

Südlich des Dorfes Oberpeiching bei Rain am Lech kreuzte zur Römerzeit die von Günzburg über Burghöfe nach Stepperg ziehende Donausüdstraße den Lech, etwa 9 km vor dessen Einmündung in die Donau. Die Gegend ist als römischer Fundplatz seit Langem bekannt, und die antike Straßenführung aus der Luft gut erkennbar. Am rechten Brückenkopf entwickelte sich im 1. Jh. n. Chr. eine kleine Straßensiedlung, deren zugehöriger Friedhof mindestens 172 Gräber umfaßte und eine Belegungszeit bis zur Mitte des 3. Jh. aufweist.

 

Erste Indizien für das Vorhandensein von Pfählen des ehemaligen Übergangs lieferte ein Bericht aus dem Jahre 1897, in dem es hieß, daß die ortsansässigen Fischer mit ihren Netzen in den Altwässern des Lechs sehr häufig an im Grund hervorstehenden Pfahlresten hängenbleiben. Diese Altwässer existieren heute nicht mehr. Sie wurden durch die Flußkorrekturen und den Bau der Staustufen Oberpeiching (1954) und Rain (1956) in Auwälder umgewandelt. Die Aussichten, im heutigen Lechlauf noch auf Reste einer römischen Brücke zu treffen, wurden daher als äußerst gering eingestuft.

 

Trotzdem entdeckte man im Dezember 1998 kurz unterhalb von Flußkilometer 11,0 in einer Wassertiefe von rund 3 m zwei in situ stehende Pfähle, deren Position exakt mit der interpolierten Brückenachse übereinstimmte. Zwei Sondagegrabungen im August 1999 und 2000 mit insgesamt 40 Tauchstunden brachten lediglich zwei weitere Pfähle ans Tageslicht. Zeitweise stellte sich angesichts des maroden Erhaltungszustandes des Holzes die Frage, ob man nicht etwa auf einen versunkenen Auwald gestoßen sei. Erst als sich eines der Hölzer freilegen ließ und sich als 1,15 m langer Eichenpfahl zu erkennen gab, war der Nachweis von anthropogen eingebrachten Pfählen erbracht. Die dendrochronologische Untersuchung durch F. Herzig erbrachte ein Fälldatum im Zeitraum von 164 +- 10 n. Chr.

 

Neben der Stepperger Donaubrücke und der Epfacher Lechbrücke wurde damit ein weiterer bedeutender römischer Flußübergang in Bayern archäologisch faßbar. Der historische Kontext deutet auf die Errichtung eines festen Übergangs bereits zwischen den Jahren 40 und 50 n. Chr.  hin. Ob es sich dabei um eine Holzbrücke, eine Schiffsbrücke oder nur um ein Fähre gehandelt hat, bleibt offen.

 

Die zwischen den Kiesablagerungen häufig angetroffenen Torfpackungen sind auf die ehemals langsamen Strömungsverhältnisse zurückzuführen, wie sie für stark zergliederte Fluß- und Auenlandschaften charakteristisch sind. Entsprechend wurden Sedimentproben entnommen, deren Analyse neue Aufschlüsse über das antike Flußgrundmilieu erbringen könnte. Eines ist schon heute klar. Der kanalartige Ausbau des Lechs mit seinen zwei Dutzend Staustufen läßt nur noch andeutungsweise die wilde Schönheit der einstigen Flußlandschaft erahnen.

 

 

 

Marcus Prell