Prospektionen im Ammersee - "Zeugnisse der Fischerei"

Im März 2008 erfolgten im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) kleinere unterwasserarchäologische Prospektionen im Bereich unklarer Pfahlstellungen vor Dießen am Westufer des Ammersees. In den Ortsakten des BLfD wurden diese als Überreste von Siedlungsspuren unbekannter Zeitstellung interpretiert (Fundstellennummer: 8032/0027). Ein Luftbild von Otto Braasch (Nr. 8132/033) aus dem Jahre 1981 zeigte in direkter Ufernähe mehrere in Parallellage angeordnete Pfahldreiecke. Unter Zuhilfenahme des Luftbildes und moderner Internet-Recherche gelang zunächst eine schnelle Wiederauffindung der Pfahlreste. Unter Wasser präsentierten sich diese als sehr dicht stehende, erodierte Nadelhölzer mit Koniferenansätzen. Auf einem ein Meter langen Abschnitt der Pfahlstellungen konnten innerhalb der Strukturen bis zu 50 (!) Pfähle mit einem Durchmesser von ca. 5 bis 6 Zentimetern gezählt werden.

 

Die Längsseiten der Pfahldreiecke betrugen zwischen 6 und 8 Metern, die Breiten zwischen 50 und 100 Zentimetern. Eine Holzanalyse am dendrochronologischen Labor Thierhaupten (Bearbeiter: Franz Herzig) zeigte anhand von 3 zufällig ausgewählten Holzproben, dass zur Konstruktion der Pfahlstellungen Fichtenholz (picea abies) verwendet wurde. Aufgrund von nur wenigen Jahrringen (11 bis 17 Stück) gelang leider keine dendrochronologische Datierung der Anlage.

 

Der erste Eindruck der dicht stehenden, dünnen Hölzer mit Astansätzen erinnerte sehr schnell an zaunartige Absperrvorrichtungen, die mit ihren Längsseiten auf die trichterförmigen Enden der Pfahldreiecke zuführten. An den Mündungsenden der Dreiecke konnten auch regelhaft Lücken im dichten Pfahlbestand auf einer Breite von ca. 40 bis 50 Zentimetern beobachtet werden. Eine Interpretation der Pfahldreiecke als Fangkammern und damit als Fischereianlage scheint somit wahrscheinlich. Evtl. wurden im pfahlfreien Bereich der Dreiecksspitzen (= Fangtrichter) Netze bzw. Reusen zum Auffangen der eingetriebenen Fische eingebracht.

 

Die zickzackartige Anordnung der Pfahldreiecke lässt zudem vermuten, dass zu beiden Seiten der Anlage Fischfang betrieben werden konnte, also sowohl für Fische mit Wanderung in Richtung Norden, als auch für Fische mit südlicher Wanderungsroute.

 

Die Interpretation der Dreiecksstellungen als Fischfang-Anlage wird zudem durch konkrete Berichte, wie z. B. über die Fischerei am Chiemsee, unterstützt. Parallelen hinsichtlich Konstruktion und Funktion finden sich u. a. in der wohl mit beeindruckendsten Fischfang-Anlage des Chiemsees, dem sog. Werch von Seebruck. Eine Abbildung aus dem 18. Jahrhundert zeigt das Werch, das dem Ausfluss der Alz und Seebruck mit Kirche und Zwiebelturm vorgelagert ist. Als Großfanganlage wurde es bereits im 15. Jahrhundert erwähnt und führte immer wieder zu Streitigkeiten zwischen seinem Betreiber, dem Kloster Frauenchiemsee, und den Flussfischern der Alz, die sich in ihrem Fangerfolg durch das vorgelagerte Sperrwerk beeinträchtigt sahen. Die Abbildung erinnert überdeutlich an die Anlage des Ammersees mit seinen dreiecksförmigen Pfahlstellungen und den eingebrachten Reusen an deren Zwangsöffnungen. Dass mit weiteren Fischfanganlagen am Ammersee - auch in nächster Nähe - gerechnet werden muss, zeigen Sidescan-Aufnahmen, die nur wenige hundert Meter nördlich der dokumentierten Anlage weitere dreiecksförmige Pfahlstellungen zeigen.

 

 

Tobias Pflederer

 

 

Literatur:

P. Höfling, Die Chiemsee-Fischerei. Beiträge zu ihrer Geschichte (München 1987). Insb. S. 118 ff.