Noviodunum, Rumänien – Suche nach dem römischen Hafen

Noviodunum liegt am Südufer der rumänischen Donau wenige Kilometer westlich des heutigen Donaudeltas in der ehemaligen römischen Provinz Moesia inferior. Hier lag der Flottenstützpunkt der „Classis Flavia Moesica“. Die stationierten Schiffe dürften die gesamte untere Donau kontrolliert haben und operierten vermutlich vom „Eisernen Tor“ bis zum Donaudelta, wahrscheinlich sogar bis zur Krim.

 

In der archäologischen Erforschung von Noviodunum wurde bereits häufiger die Frage nach der antiken Hafensituation an der Donau gestellt, doch konnte dieser bisher nicht durch Grabungen oder geophysikalische Prospektionen lokalisiert werden. Vor diesem Hintergrund erfolgten in Kooperation mit Dr. Florin G. Topoleanu und Dr. George Nuţu vom Institutul de Cercetări Eco–Muzeale in Tulcea (ICEM) am 20. und 21. März 2016 erste unterwasserarchäologische Untersuchungen, die von Seiten der BGfU durch Tobias Pflederer, Max Fiederling und Marcus Thier geleitet wurden. Auf einer Fläche von ca. 1,2 km Länge und ca. 600 m Breite wurde das Gewässerareal vor der römischen Befestigung mithilfe eines auf einem kleinen Motorboot fixierten Sidescan-Sonars prospektiert. Im unmittelbaren flacheren Uferbereich wurde das Sonargerät auf einer kleinen Schwimmkonstruktion per Hand geführt. Tauchgänge konnten aufgrund der starken Strömung und einer aktuellen Überschwemmungssituation nicht erfolgen. Darüber hinaus galt es eine Überschreitung der Donaugrenze zur Ukraine zu vermeiden und den stark frequentierten und als moderne Wasserstraße genutzten tieferen Bereich der Donau auszusparen.

 

Die erhobenen Scan-Daten ließen letztlich einen bis zu 19 m tiefen Kanal mit einer nahezu senkrechten Kliffkante direkt vor der spätrömischen Festung (A) von Noviodunum erkennen. Somit lässt sich eine Hafenanlage direkt vor der Festung ausschließen. Besonders auffällig war ein nach Norden, in Richtung Donaumitte liegender Höhenrücken (B) in einer Wassertiefe von 6 bis 7 m. Da zur Zeit der Prospektion der Wasserstand wegen der Überschwemmung ca. 4 m höher lag und von einem generellen Pegelanstieg der Donau seit römischer Zeit ausgegangen wird, könnte der parallel zum Westufer, heute unter Wasser liegende Höhenrücken in römischer Zeit eine Halbinsel oder Insel gebildet haben. Führt man sich den gesamten geoarchäologischen Kontext vor Augen, also Bastion, Kanal und vorgelagerte Untiefe, könnte dies als Teil einer kanalisierten Einfahrt interpretiert werden, durch welche die Schiffe in westlicher Richtung in einen Hafen gelangten. Das vermutete Hafenbecken befindet sich heute westlich des Festungsbereiches und ist verlandet. Es lässt sich deutlich im Gelände erkennen und zeigt sich auch in den geophysikalischen Prospektionen, die ebenfalls eine ebenerdige Fläche erkennen lassen. Die Anforderungen an die Infrastruktur einer solchen Hafenanlage in römischer Zeit lassen sich an der Bedeutung als Flottenstützpunkt der „Classis Flavia Moesica“ ablesen: Schiffe eines Militärhafens müssen schnell einsatzbereit sein, was generell für einen Hafen flussaufwärts des Befestigungsareals spricht, da eine schnelle Mobilmachung der Flotte im Bedarfsfall gewährleistet war. Der kanalähnliche Zugang zum vermuteten Hafenbecken flussaufwärts hätte auch als gut geschützter und leicht zu kontrollierender Eingang/Ausgang von der Donau zur antiken Siedlungsfläche gedient. Durch die ausreichende Wassertiefe im unmittelbaren Vorfeld der Befestigung wäre zudem der Einsatz von größeren Schiffen (Kriegsschiffen) wie Triremen und nicht nur von zweirangigen Liburnen bzw. von zeitlich später eingesetzten naves lusoriae theoretisch möglich gewesen.

 

Eine Fortsetzung des Projektes ist wünschenswert. Mithilfe zusätzlicher Sidescan-Fahrten könnte die Datenlage verbessert werden. Wichtig wären weitere Scandaten, die ein noch genaueres Bild des in der Donau liegenden Höhenrückens ergeben. Darüber hinaus gilt es, das Geländerelief zwischen Untiefe und vermutetem Hafenbecken zu ergänzen. Tauchgänge könnten an Tagen mit langsamer Strömung und ohne Hochwasser die bislang nicht interpretierten Strukturen der Sonardaten unter Wasser verifizieren. Zur weiteren Deutung der geoarchäologischen Gesamtsituation wären im vermuteten Hafenbecken und an der vorgelagerten Untiefe Bohrungen und Bohrkernanalysen wünschenswert.

 

 

Tobias Pflederer, Max Fiederling